515 Kloster Lorsch

In der kleinen Ortschaft Lorsch zwischen Worms und Darmstadt steht die pittoreske Torhalle, auch Königshalle genannt. Sie ist eines der wenigen Denkmäler aus der Zeit der Karolinger, das über die Jahrhunderte hinweg sein ursprüngliches Aussehen bewahrt hat und an die vergangene Größe eines einst mächtigen Klosters und seiner weitgreifenden Verbindungen in der Welt erinnert. 1991 wurde das Kloster Lorsch zusammen mit den übrigen Gebäuden und archäologischen Überresten des nahe gelegenen Klosters Altenmünster als UNESCO-Welterbe anerkannt. Die Lorscher Denkmäler gehören zu den bedeutendsten Relikten vorromanischer Baukunst in Deutschland.

 

Die Königshalle der früheren Abtei Lorsch sowie archäologische Reste des Klosterkomplexes gehören zu den seltenen noch erhaltenen spätkarolingischen Bauten, die heute noch in ihrem ursprünglichen Aussehen erhalten sind (Kriterium iii). Sie ist eine Erinnerung an die Größe der 764 unter König Pippin, dem Vater Karls des Großen, gegründeten Abtei, die damals und bis ins Hochmittelalter hinein das Zentrum der Macht, Spiritualität und Kultur des Heiligen Römischen Reiches war (Kriterium iv).
Seinen Zenit erreichte das Kloster vermutlich im Jahr 876, als es nach dem Tod von Ludwig II der Begräbnisplatz der Könige des Ostkarolingischen (deutschen) Reiches wurde. Ludwig III. ließ eine Gruftkirche bauen, in der er die Gebeine seines Vaters bestattete. Später wurden auch er, sein Sohn Hugo und Kunigunde, die Gemahlin Konrads I. hier beigesetzt. Das Kloster florierte während des gesamten 11. Jahrhunderts, wurde jedoch im Jahr 1090 durch einen Brand zerstört. Im 12. Jahrhundert erfolgte ein großzügiger Wiederaufbau. Nach der Eingliederung von Lorsch in das Kurfürstentum Mainz im Jahr 1232 verlor das Kloster einen Großteil seiner Privilegien. Den Benediktinern folgten erst die Zisterzienser, dann die Prämonstratenser. Nach einem weiteren Brand musste die Kirche wiederhergestellt werden. In der Reformationszeit erlosch das klösterliche Leben. Die Klostergebäude standen leer und zerfielen. Nur die Torhalle, ein Teil der romanischen Kirche, unbedeutende Reste des mittelalterlichen Klosters und Gebäude aus der Zeit, in der Lorsch durch die Kurfürsten von Mainz verwaltet wurde, sind noch innerhalb der Ringmauern zu sehen.
Das Kloster Lorsch beherbergte einst eine der größten Bibliotheken des Landes. Das Lorscher Arzneibuch aus dem 8. Jahrhundert gilt als Symbol für den Beginn der modernen Medizin und wurde daher in das UNESCO-Verzeichnis des Weltdokumentenerbes (link) aufgenommen. Zugleich wird in Lorsch im Sinne des Immateriellen Kulturerbes (link) das Wissen um die Herstellung von Heilmitteln weitergegeben.
Die Stätte ist wichtiger Impulsgeber in der Vermittlung des kulturellen Erbes. Auf einem 2014 eröffneten Welterbe-Areal lassen sich die Gelände der Klöster Lorsch und Altenmünster, die Königshalle und Kirchenfragmente – allesamt UNESCO-Welterbe – besichtigen. Daneben kann der Besucher in einem Freilichtlabor erleben, wie das Leben der einfachen Leute und Gutsherrenfamilien zu Zeiten Karls des Großen aussah. Ein Schaudepot Zehntscheune bietet eine Entdeckungsreise in die Klostergeschichte, und ein Kräutergarten gibt Einblick in das Lorscher Arzneibuch. Die Vermittlungsarbeit, festgehalten in der Welterbekonvention von 1972 als Aufgabe aller Welterbestätten, ist von großer Bedeutung, um den langfristigen Erhalt der Stätte zu sichern und Wissen über die völkerverbindende Grundidee des Welterbes zu teilen.
Auch das internationale Engagement der Stätte hat Leuchtturmcharakter. Vermutlich war die Welterbestätte Kloster Lorsch eine der ersten Stätten, die ein interkulturelles, interreligiöses Netzwerk zwischen Klöstern initiiert hat, die auf der Welterbeliste stehen. Die Bildung einer internationalen Partnerschaft zwischen dem Kloster Lorsch, dem armenisch-orthodoxen Kloster Geghard in Armenien, dem buddhistischen Kloster Haein-sa in Südkorea und dem Benediktinerkloster St. Johann in der Schweiz ist ganz im Sinne der Welterbekonvention, die selbst im Geiste der internationalen Zusammenarbeit und Solidarität begründet wurde.

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