975 Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen

Die heute sichtbaren Anlagen des Schachts XII der Zeche Zollverein in Essen sind die komplett erhaltenen Anlagen einer historischen Kohlezeche. Die Zeche Zollverein war von 1851 bis 1986 in Betrieb und die größte und modernste Steinkohleförderanlage der Welt. Heute ist sie als Industriedenkmal zugleich Sinnbild einer bedeutenden Wirtschaftsepoche und als Architekturdenkmal Ausdruck der Formsprache des Bauhauses. Der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen wurde 2001 in die Welterbeliste der UNESCO eingeschrieben.

 

In den Anlagen des Schachts XII spiegeln sich die wirtschaftlichen und politischen Umbrüche zur Zeit der Erbauung des Schachts Anfang der 1930er Jahre wieder. Die Erfahrungen des kurzen wirtschaftlichen Hochs der 1920er und der Beginn von Globalisierung und Modernisierung wurden künstlerisch durch den Wandel von Expressionismus zu Kubismus und Funktionalismus ausgedrückt. Die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, inspiriert vom Bauhaus, schufen eine meisterliche Verbindung von Form und Funktionalität. Indem sie den in zwei Achsen angeordneten Industriekomplex nach Prinzipien der Symmetrie und Geometrie gestalteten, schufen sie ein harmonisches Gesamtwerk. So sind die Gebäude dieses Industrieerbes in außergewöhnlichem Maße Ausdruck der Anwendung des Designs der Moderne im industriellen Kontext (Aufnahmekriterium ii). In der Zeche wurde bis zu ihrer Stilllegung 1986 135 Jahre lang Kohle abgebaut. Noch heute ist die Anlage vollständig erhalten: Gruben, Kokereien, Schienenwege, Halden, Arbeitersiedlungen, Geschäfte und Sozialeinrichtungen. So ist der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen auch ein repräsentatives Beispiel der Zeit der Entwicklung der Schwerindustrie in Europa (Aufnahmekriterium iii) und insbesondere des wirtschaftlichen Aufschwungs in den „Goldenen Zwanzigern“.
Heute stellt die Welterbestätte in Essen auch ein besonders gelungenes Beispiel der Umwandlung- und Umnutzung industrieller Großanlagen nach Produktionsende dar. Im vom Strukturwandel nach dem Ende des Kohleabbaus geprägten Ruhrgebiet ist die Zeche ein bedeutender Standort wirtschaftlicher und kultureller Revitalisierung und somit ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Regionalentwicklung: Statt für einen Abriss nach der Stilllegung entschloss sich das Land Nordrhein-Westfalen, die Zeche der Ruhrkohle AG abzukaufen, sie unter Denkmalschutz zu stellen und grundlegend zu sanieren. Die 1998 gegründete Stiftung Zollverein widmete sich der Wiedernutzbarmachung und Erhaltung des Industriedenkmals. Der gesamte Industriekomplex ist heute ein beispielhafter Besichtigungsort zur Bergbaugeschichte und zur Entwicklung der Industrie-Architektur in einer der bedeutendsten Industrieregionen Europas. Auf der "schönsten Zeche des Ruhrpotts" kann man die Moderne der 20er, 30er Jahre und die Entwicklung der Schwerindustrie nachvollziehen. Besucher des Denkmalpfades ZOLLVEREIN® können den Weg der Kohle im wahrsten Sinne des Wortes beschreiten. Der Denkmalpfad ZOLLVEREIN® – im Originalzustand belassen – führt durch die Gebäude der ehemaligen Sieberei und der Kohlenwäsche, vorbei an gigantischen Maschinen und Förderbändern, die vom Arbeitsalltag in Lärm und Staub erzählen. Modelle, Filme und museumstechnische Installationen verdeutlichen die Aufbereitung des schwarzen Goldes. Der Industriekomplex Zeche Zollverein ist somit Ausdruck der Verbindung von schützenswertem Erbe und kreativer Gegenwart und Zukunft und ein identitätsstiftender Faktor in der Region.
Um die Stätte langfristig erhalten und schützen zu können, ist ein nachhaltiges Tourismuskonzept von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang nimmt die Zeche Zollverein unter anderem am UNESCO-Projekt World Heritage Journeys in the European Union teil, finanziert durch die Europäische Union und durchgeführt in Kooperation mit National Geographic. Ziel des Projektes ist die Förderung von nachhaltigem Tourismus und die Präsentation der kulturellen Diversität in Europa durch die Kreation thematischer Narrative. Als Industriedenkmal von europäischer Bedeutung ist die Welterbestätte darüber hinaus Mitglied des Netzwerkes European Route of Industrial Heritage.

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